Blau-Syndrom / Juvenile Sarkoidose 


Version von 2016
diagnosis
treatment
causes
Blau's Disease / Juvenile Sarcoidosis
Blau-Syndrom / Juvenile Sarkoidose
Das Blau-Syndrom ist eine genetische Erkrankung
evidence-based
consensus opinion
2016
PRINTO PReS



1. ÜBER DAS BLAU-SYDROM/SARKOIDOSE IM KINDES- UND JUGENDALTER

1.1 Was ist das?
Das Blau-Syndrom ist eine genetische Erkrankung. Die Patienten leiden unter einer Kombination aus Hautausschlag, Gelenkentzündung (Arthritis) und Augenentzündung (Uveitis). Weitere Organe können betroffen sein, und es kann zu wiederkehrendem Fieber kommen. Die Bezeichnung Blau-Syndrom wird für familiäre Formen der Erkrankung verwendet, doch die Krankheit kann auch spontan auftreten. In diesen Fällen spricht man von der so genannten frühkindlichen Sarkoidose (Early onset sarcoidosis, EOS).

1.2 Wie häufig tritt die Erkrankung auf?
Die Häufigkeit der Erkrankung ist nicht bekannt. Es handelt sich um eine sehr seltene Krankheit, die in der frühen Kindheit (meistens vor dem 5. Lebensjahr) auftritt. Unbehandelt nimmt sie einen aggressiven Verlauf. Seit der Entdeckung des zugrundeliegenden Gens wird die Erkrankung häufiger diagnostiziert, so dass eine bessere Schätzung ihrer Häufigkeit und ihres Verlaufs möglich ist.

1.3 Was sind die Ursachen der Erkrankung?
Das Blau-Syndrom ist eine genetische Erkrankung. Das verantwortliche Gen trägt die Bezeichnung NOD2 (synonym mit CARD15), das für ein Protein kodiert, das eine Rolle bei den Entzündungsreaktionen im Körper spielt. Wenn dieses Gen eine Mutation trägt (wie dies beim Blau-Syndrom der Fall ist) funktioniert das Protein nicht mehr richtig, und bei den Patienten kommt es zu einer chronischen Entzündung mit Bildung von Granulomen in verschiedenen Gewebsstrukturen und Organen des Körpers. Bei Granulomen handelt es sich um typische langlebige knötchenförmige Neubildungen von Entzündungszellen, die die normale Struktur und Funktion verschiedener Gewebsstrukturen und Organe im Körper zerstören können.

1.4 Ist die Erkrankung vererbbar?
Die Krankheit wird in einem autosomal-dominanten Erbgang vererbt (das bedeutet, dass sie unabhängig vom Geschlecht ist und mindestens ein Elternteil Symptome der Erkrankung aufweisen muss). Bei dieser Art von Vererbung muss eine Person nur Träger eines einzigen mutierten Gens, entweder von der Mutter oder vom Vater, sein, um am Blau-Syndrom zu erkranken. Bei EOS, der spontanen Form der Erkrankung, entsteht die Krankheit im Patienten selbst, während beide Elternteile in der Regel gesund sind. Wenn eine Person Träger des Gens ist, wird die Krankheit auch bei ihr ausbrechen. Wenn ein Elternteil Blau-Syndrom hat, beträgt die Wahrscheinlichkeit, dass das Kind ebenfalls daran erkrankt 50 %.

1.5 Warum leidet mein Kind an der Krankheit? Kann ihr vorgebeugt werden?
Das Kind hat die Krankheit, weil es Träger von Genen ist, die das Blau-Syndrom verursachen. Gegenwärtig kann die Erkrankung zwar nicht verhindert werden, aber es ist möglich, die Symptome zu behandeln.

1.6 Ist es ansteckend?
Nein, das Blau-Syndrom ist nicht ansteckend.

1.7 Welches sind die Hauptsymptome?
Es gibt drei Hauptsymptome der Krankheit: Arthritis (Gelenkentzündung), Dermatitis (Hautentzündung) und Uveitis (Augenentzündung). Zu den Anfangssymptomen zählt ein typisches Exanthem mit kleinen, runden Hautveränderungen, die von blassrosa bis hellbraun bis hin zu starken Hautrötungen variieren können. Im Laufe der Jahre wird der Ausschlag wachsig und verschwindet. Eine Arthritis ist das häufigste Symptom und setzt meistens in den ersten zehn Lebensjahren ein. Es kommt zu Gelenkschwellungen, wobei die Gelenkbeweglichkeit zu Beginn erhalten bleibt. Im Laufe der Zeit können aber Bewegungseinschränkungen, Verformungen und Erosionen (Knochenveränderungen) auftreten. Eine Uveitis (Entzündung der Regenbogenhaut im Auge, Iris) kann gefährlich sein, da sie häufig mit Komplikationen (grauer Star, erhöhter Augeninnendruck) verbunden ist und im unbehandelten Zustand zu Sehbehinderungen führen kann.
Darüber hinaus können granulomatöse Entzündungen in vielen anderen Organen auftreten und weitere Symptome wie z. B. Lungen- oder Nierenfunktionsstörungen, erhöhten Blutdruck und wiederkehrende Fieberschübe umfassen.

1.8 Verläuft die Erkrankung bei jedem Kind gleich?
Nein, sie verläuft nicht immer gleich. Außerdem können sich Art und Schweregrad der Symptome mit zunehmendem Alter des Kindes verändern. Wird die Erkrankung nicht behandelt, schreitet sie fort und die Symptome bilden sich entsprechend weiter.


2. DIAGNOSE UND THERAPIE

2.1 Wie wird die Erkrankung diagnostiziert?
Bei der Diagnose des Blau-Syndroms wird im Allgemeinen folgendermaßen vorgegangen:
Klinischer Verdacht: Es ist wichtig, an das Blau-Syndrom zu denken, wenn sich ein Kind mit einer Kombination aus den drei typischen klinischen Symptomen (Gelenkschwellung, Hautveränderungen, Augenentzündung) vorstellt. Eine genaue Erhebung der Familienanamnese sollte durchgeführt werden, da diese Krankheit sehr selten auftritt und im autosomal-dominanten Erbgang vererbt wird.
Nachweis von Granulomen: Für die Diagnose Blau-Syndrom/EOS müssen die typischen Granulome in den betroffenen Gewebsstrukturen nachweisbar sein. Granulome lassen sich anhand einer Biopsie (Gewebeentnahme) einer Hautveränderung oder eines entzündeten Gelenks nachweisen. Andere Ursachen für granulomatöse Entzündungen (wie z. B. Tuberkulose, Immundefekte oder andere entzündliche Erkrankungen wie z. B. einige Vaskulitiden) müssen mittels einer sorgfältigen klinischen Untersuchung und geeigneten Blut- und Bildgebungsuntersuchungen sowie anderen Tests ausgeschlossen werden.
Genanalyse: Seit einigen Jahren ist es möglich, eine Genanalyse bei den Patienten durchzuführen, um das Vorliegen von Mutationen zu bestätigen, die mit der Entstehung des Blau-Syndroms/EOS in Verbindung gebracht werden.
2.2 Welche Bedeutung haben Laboruntersuchungen/-tests?
Hautbiopsie: Bei der Hautbiopsie wird ein sehr kleines Stück Gewebe aus der Haut entnommen. Es handelt sich dabei um einen sehr leichten Eingriff. Wenn bei der Hautbiopsie Granulome nachgewiesen werden, wird die Diagnose Blau-Syndrom gestellt, nachdem alle anderen Krankheiten, die mit einer Granulombildung einhergehen, ausgeschlossen worden sind.
Blutuntersuchungen: Blutuntersuchungen sind wichtig, um andere Krankheiten, die mit einer granulomatösen Entzündung verbunden sein können (wie z. B. Immundefekte oder Morbus Crohn), auszuschließen. Außerdem sind sie notwendig, um das Ausmaß der Entzündung und die Beteiligung anderer Organe (wie z. B. Niere oder Leber) zu beurteilen.
Gentests: Der einzige Test, mit dem die Diagnose Blau-Syndrom eindeutig gestellt werden kann, ist ein Test zum Nachweis der Mutation des NOD2-Gens.
2.3 Kann die Erkrankung behandelt oder geheilt werden?
Die Krankheit kann nicht geheilt werden, lässt sich aber mit Medikamenten zur Behandlung der Entzündung der Gelenke, der Augen und anderen betroffenen Organe unter Kontrolle bringen. Die medikamentöse Therapie zielt darauf ab, die Symptome zu kontrollieren und das Fortschreiten der Erkrankung aufzuhalten.

2.4 Welche Behandlungen stehen zur Verfügung?
Zurzeit gibt es keine Nachweise, die dazu dienen können, die beste Behandlung des Blau-Syndrom/EOS festzulegen. Die Gelenkprobleme können häufig mit nichtsteroidalen Antirheumatika und Methotrexat behandelt werden. Über Methotrexat ist bekannt, dass es bei vielen Kindern mit juveniler idiopathischer Arthritis wirksam zur Krankheitskontrolle eingesetzt werden kann. Beim Blau-Syndrom kann diese Wirkung weniger ausgeprägt sein. Die Uveitis ist sehr schwer unter Kontrolle zu bringen. Örtlich wirkende Medikamente (Steroidhaltige Augentropfen oder lokale Steroid-Injektion) können bei manchen Patienten nicht ausreichend sein. Auch die Wirksamkeit von Methotrexat ist zur Kontrolle der Uveitis nicht ausreichend, und die Patienten müssen möglicherweise orale Kortikosteroide einnehmen, um schwere Augenentzündungen in den Griff zu bekommen.
Bei Patienten mit Entzündungen der Augen/Gelenke, die schwierig unter Kontrolle zu bringen sind, sowie bei Patienten mit einer Beteiligung der inneren Organe kann die Anwendung von Zytokin-Hemmern, wie z. B. TNF-α-Hemmern (Infliximab, Adalimumab), wirksam sein.

2.5 Welche Nebenwirkungen haben medikamentöse Therapien?
Zu den häufigsten Nebenwirkungen unter Methotrexat zählen Übelkeit und Bauchschmerzen am Tag der Einnahme. Blutuntersuchungen sind notwendig, um die Leberfunktion und die Zahl der weißen Blutzellen zu überwachen. Kortikosteroide sind mit möglichen Nebenwirkungen, wie z. B. Gewichtszunahme, Gesichtsschwellungen und Stimmungsschwankungen, verbunden. Wenn Steroide über einen längeren Zeitraum verschrieben werden, können sie zu einer Wachstumshemmung, Osteoporose, Bluthochdruck und Diabetes führen.
TNF-α-Hemmer sind kürzlich auf dem Markt eingeführte Medikamente, die mit einem erhöhten Infektionsrisiko, einer Aktivierung von Tuberkulose und der möglichen Entwicklung von neurologischen Erkrankungen oder Immunerkrankungen verbunden sind. Es wurde über ein mögliches Risiko für die Entstehung von bösartigen Tumoren berichtet. Doch gegenwärtig gibt es keine statistischen Daten, die belegen, dass diese Medikamente mit einem erhöhten Risiko für bösartige Tumore verbunden sind.

2.6 Wie lange sollte die Behandlung durchgeführt werden?
Derzeit liegen keine Daten vor, die zur Empfehlung einer optimalen Behandlungsdauer herangezogen werden können. Es ist wichtig, die Entzündung unter Kontrolle zu bekommen, um eine Schädigung der Gelenke, den Verlust der Sehkraft oder die Schädigung anderer Organe zu verhindern.

2.7 Gibt es alternative/ergänzende Therapien?
Es gibt keine Hinweise über diese Art von Therapien beim Blau-Syndrom/EOS.

2.8 Welche regelmäßigen Kontrollen sind notwendig?
Die betroffenen Kinder müssen regelmäßig (mindestens dreimal pro Jahr) ihren Kinderrheumatologen aufsuchen, der überwacht, ob die Krankheit gut eingestellt ist und gegebenenfalls die Behandlung anpasst. Darüber hinaus ist es wichtig, regelmäßig einen Augenarzt aufzusuchen, wobei die Häufigkeit der Besuche vom Schweregrad und der Entwicklung der Augenentzündung abhängt. Bei Kindern unter Behandlung sollten mindestens zweimal pro Jahr Blut- und Urinuntersuchungen durchgeführt werden.

2.9 Wie lange dauert die Erkrankung?
Es ist eine lebenslange Erkrankung. Doch die Krankheitsaktivität kann im Laufe der Zeit schwankend sein.

2.10 Wie sieht die Langzeitentwicklung (vorhergesagter Verlauf und Ergebnis) der Erkrankung aus?
Es stehen nur wenige Daten über die Langzeitprognose der Krankheit zur Verfügung. Einige Kinder wurden über mehr als 20 Jahre nachbeobachtet. Bei einer gut eingestellten medikamentösen Therapie wurden bei ihnen ein beinahe normales Wachstum, eine normale psychomotorische Entwicklung und eine gute Lebensqualität festgestellt.

2.11 Kann der Patient wieder vollständig gesund werden?
Nein, da es sich um eine genetische Erkrankung handelt. Doch mit einer guten medizinischen Verlaufsbebachtung und Behandlung können die meisten Patienten eine gute Lebensqualität erreichen. Zwischen den Patienten mit Blau-Syndrom gibt es Unterschiede in Bezug auf den Schweregrad und das Fortschreiten der Erkrankung. Gegenwärtig ist es nicht möglich, den Verlauf der Erkrankung für den einzelnen Patienten vorherzusagen.


3. ALLTAG

3.1 Wie wirkt sich die Erkrankung auf das Alltagsleben des Kindes und seiner Angehörigen aus?
Das Kind und seine Angehörigen haben bereits vor der Diagnosestellung mit vielen Problemen zu kämpfen. Sobald die Diagnose einmal gestellt wurde, muss das Kind regelmäßig Ärzte aufsuchen (einen Kinderrheumatologen und einen Augenarzt), damit die Krankheitsaktivität überwacht und die medizinische Behandlung angepasst werden kann. Kinder mit schwerer Gelenkerkrankung müssen eventuell Physiotherapie erhalten.

3.2 Was ist mit der Schule?
Der chronische Verlauf der Erkrankung kann zu Fehltagen in der Schule und eingeschränkter Leistungsfähigkeit führen. Es ist sehr wichtig, dass die Krankheit gut eingestellt wird, damit betroffene Kinder regelmäßig am Unterricht teilnehmen können. Es kann hilfreich sein, die Schule über die Erkrankung zu informieren, d. h. insbesondere alle Beteiligten darüber aufzuklären, was im Falle eines Auftretens der Symptome zu unternehmen ist.

3.3 Was ist mit Sport?
Patienten mit dem Blau-Syndrom sollten dazu ermuntert werden, Sport zu treiben. Die Einschränkungen hängen davon ab, wie gut die Krankheitsaktivität unter Kontrolle gebracht wurde.

3.4 Was ist mit der Ernährung?
Es gibt keine spezielle Diät. Doch Kinder, die eine Therapie mit Kortikosteroiden erhalten, sollten so weit wie möglich auf Süßigkeiten und salzhaltige Lebensmittel verzichten

3.5 Kann das Klima den Verlauf der Erkrankung beeinflussen?
Nein, das kann es nicht.

3.6 Darf das Kind geimpft werden?
Das Kind darf geimpft werden. Eine Ausnahme bilden Impfungen mit Lebendimpfstoffen, wenn das Kind mit Kortikosteroiden, Methotrexat oder TNF-α-Hemmern behandelt wird.

3.7 Was ist hinsichtlich Sexualleben, Schwangerschaft und Empfängnisverhütung zu beachten?
Das Blau-Syndrom selbst hat – insbesondere wenn die Krankheitsaktivität gut kontrolliert ist - keinen Einfluss auf Fruchtbarkeit. Falls eine Behandlung mit Methotrexat durchgeführt wird, sollte eine wirksame Verhütungsmethode eingesetzt werden, da das Medikament Nebenwirkungen auf das ungeborene Kind haben kann. Es gibt keine Sicherheitsdaten über die Anwendung von TNF-α-Hemmern in der Schwangerschaft. Daher müssen Patientinnen diese Medikamente absetzen, wenn sie schwanger werden wollen. Im Allgemeinen gilt, dass es besser ist eine Schwangerschaft zu planen, die Therapie im Voraus anzupassen und eine angemessene Verlaufsbeobachtung in die Wege zu leiten.


 
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