1.1 Was ist das?
Beim rheumatischen Fieber handelt es sich um eine Erkrankung, die durch eine Racheninfektion mit einem Bakterium namens Streptococcus (Streptokokken) verursacht wird. Es gibt verschiedene Gruppen von Streptokokken, doch nur Streptokokken der Gruppe A lösen rheumatisches Fieber aus. Obwohl eine Streptokokkeninfektion eine sehr häufige Ursache für Pharyngitis (Rachenentzündung) bei Schulkindern ist, erkranken nicht alle Kinder mit einer Rachenentzündung an rheumatischem Fieber. Die Erkrankung kann zu einer Entzündung und Schädigung des Herzens führen. Zunächst treten Gelenkschmerzen und Schwellungen auf, die von kurzer Dauer sind, und später kommt es zu einer Karditis (Herzentzündung) oder einer Bewegungsstörung mit anomalen, unwillkürlichen Bewegungen (Chorea), die durch eine Hirnentzündung ausgelöst wird. Außerdem können Hautausschläge und Hautknötchen auftreten.
1.2 Wie häufig tritt die Erkrankung auf?
Bevor Antibiotikabehandlungen verfügbar wurden, war die Anzahl an Neuerkrankungen besonders in warmen Ländern sehr hoch. Nachdem die Behandlung der Rachenentzündung mit Antibiotika zur gängigen Praxis geworden war, nahm die Häufigkeit der Erkrankung ab. Dennoch erkranken weiterhin viele Kinder im Alter zwischen 5 und 15 Jahren auf der ganzen Welt an einer Rachenentzündung, die sich jedoch nur bei einem kleinen Anteil der Patienten zu einer Herzerkrankung ausweitet. Da es auch zu einer Gelenkbeteiligung kommen kann, wird sie den vielen rheumatischen Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter zugeordnet. Die Belastung durch rheumatisches Fieber ist ungleichmäßig auf der Welt verteilt.
Die Häufigkeit von rheumatischem Fieber ist je nach Land unterschiedlich: Es gibt Länder, in denen kein einziger Falle gemeldet wurde, und Länder mit mittleren oder hohen Prozentzahlen (> 40 Fälle/100.000 Personen pro Jahr). Schätzungen zufolge gibt es weltweit über 15 Millionen Fälle von rheumatischen Herzerkrankungen mit jährlich 282.000 Neuerkrankungen und 233.000 Todesfällen.
1.3 Was sind die Ursachen der Erkrankung?
Die Erkrankung ist die Folge einer fehlgeleiteten Immunantwort auf eine Rachenentzündung mit dem Streptococcus pyogenes oder dem β-hämolysierendem Streptococcus der Gruppe A. Vor dem Ausbruch der Erkrankung tritt eine Halsentzündung auf, dann folgt zunächst ein Zeitraum ohne Symptome, der je nach Patient unterschiedlich lang sein kann.
Antibiotika sind notwendig, um die Rachenentzündung zu behandeln, die Stimulation des Abwehrsystems zu stoppen und neue Infektionen zu verhindern. Neuinfektionen können zu einem neuen Krankheitsschub führen. Das Risiko eines erneuten Ausbruchs der Erkrankung ist in den ersten drei Jahren nach ihrem ersten Auftreten erhöht.
1.4 Ist die Erkrankung vererbbar?
Das rheumatische Fieber ist keine Erbkrankheit, da es nicht direkt von den Eltern auf ihre Kinder übertragen werden kann. Es gibt jedoch Familien, in denen mehrere Personen an rheumatischem Fieber erkrankt sind. Dies kann auf ein Zusammenspiel zwischen den genetischen Faktoren und der Tatsache, dass Streptokokkeninfektionen von Mensch zu Mensch übertragen werden, zurückzuführen sein. Eine Streptokokkeninfektion wird über die Atemwege und den Speichel übertragen.
1.5 Warum leidet mein Kind an der Krankheit? Kann ihr vorgebeugt werden?
Die Umgebung und der Streptokokkenstamm sind wichtige Faktoren für die Entstehung der Erkrankung; doch in der Praxis ist es schwer zu sagen, bei wem die Krankheit auftreten wird. Die Arthritis und die Herzentzündung werden durch eine fehlgeleitete Immunantwort gegen die Streptococcus-Proteine verursacht. Die Wahrscheinlichkeit zu erkranken, ist höher, wenn eine anfällige Person mit bestimmten Streptokokken-Typen infiziert wird. Das Zusammenleben auf engem Raum ist ein wichtiger Umgebungsfaktor, der die Übertragung von Infektionen begünstigt. Die Verhütung des rheumatischen Fiebers beruht auf dem raschen Erkennen und der sofortigen antibiotischen Behandlung (empfohlen wird das Antibiotikum Penicillin) der streptokokkenbedingten Rachenentzündung beim gesunden Kind.
1.6 Ist es ansteckend?
Das rheumatische Fieber selbst ist nicht ansteckend, jedoch die streptokokkenbedingte Rachenentzündung. Streptokokken werden von Mensch zu Mensch übertragen. Daher begünstigt das Zusammenleben auf engem Raum zu Hause, in der Schule oder in der Sporthalle die Ansteckung. Sorgfältiges Händewaschen und das Vermeiden von engem Kontakt zu Personen mit Streptokokken-Pharyngitis sind wichtige Maßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung der Krankheit.
1.7 Welches sind die Hauptsymptome?
Rheumatisches Fieber ruft in der Regel eine Kombination aus Symptomen hervor, die bei jedem Patienten einzigartig sein kann. Die Krankheit folgt auf eine streptokokkenbedingte Infektion des Rachens oder der Mandeln, die nicht mit Antibiotika behandelt wurde.
Eine Rachen- oder Mandelentzündung macht sich durch Fieber, Halsschmerzen, Kopfschmerzen, rote Gaumen und Mandeln mit eitrigen Absonderungen sowie vergrößerte und schmerzhafte Halslymphknoten bemerkbar. Doch bei Schulkindern und Jugendlichen können diese Symptome sehr leicht sein oder sogar völlig fehlen. Nachdem die akute Infektion abgeheilt ist folgt ein beschwerdefreier Zeitraum von 2 - 3 Wochen. Danach können bei dem betroffenen Kind Fieber oder die oben beschriebenen Krankheitszeichen auftreten.
Arthritis
Von der Arthritis sind meistens mehrere große Gelenke gleichzeitig betroffen, oder sie kann von einem Gelenk zum nächsten wandern und dabei ein oder zwei Gelenke gleichzeitig befallen (Knie, Ellbogen, Knöchel oder Schultern). Das wird als „wandernde und transiente Arthritis" bezeichnet. Eine Arthritis der Hände und der Wirbelsäule kommt seltener vor. Die Gelenkschmerzen können sehr stark sein, auch wenn keine Schwellungen zu sehen sind. In der Regel verschwinden die Schmerzen rasch nach der Verabreichung von nichtsteroidalen Antirheumatika. Das am häufigsten eingesetzte entzündungshemmende Medikament ist Aspirin.
Karditis
Karditis (Herzentzündung) ist die schwerwiegendste Erscheinungsform der Erkrankung. Ein erhöhter Ruhe- und Schlafpuls kann den Verdacht auf eine rheumatische Karditis erhärten. Das wichtigste Zeichen einer Herzbeteiligung ist eine auffällige Herzuntersuchung, bei der Herzgeräusche festgestellt werden. Diese Herzgeräusche können sehr leise oder auch deutlich zu hören sein, was auf eine Herzklappenentzündung andeutet, die als „Endokarditis" bezeichnet wird. Wenn eine Entzündung des Herzbeutels vorliegt, spricht man von „Perikarditis". Es kann zu einer Flüssigkeitsansammlung rund um das Herz kommen, die jedoch in der Regel keine Beschwerden hervorruft und von selbst wieder verschwindet. In schweren Myokarditis-Fällen kann es zu einer Entzündung des Herzmuskels und in der Folge zu einer Schwächung der Pumpfunktion des Herzens kommen. Dies kann anhand von Husten, Brustschmerzen, beschleunigtem Puls und beschleunigter Atmung festgestellt werden. Es kann notwendig sein, den betroffenen Patienten zu einem Herzspezialisten (Kardiologen) zu überweisen, der zusätzliche Untersuchungen durchführt. Zu einem rheumatischen Herzklappenfehler kann es bereits beim ersten rheumatischen Fieberschub kommen, doch meistens ist er die Folge wiederholter Episoden und kann später, wenn der Patient erwachsen ist, Probleme verursachen. Daher ist eine Vorbeugung sehr wichtig.
Chorea
Das Wort Chorea stammt aus dem Griechischen und steht für Tanz. Bei Chorea handelt es sich um eine Bewegungsstörung, die infolge einer Entzündung der Teile des Gehirns, die für die Koordination und Bewegung zuständig sind, auftritt. Ungefähr 10 - 30 % der Patienten mit rheumatischem Fieber sind von Chorea betroffen. Im Gegensatz zur Arthritis und Karditis tritt Chorea erst später im Krankheitsverlauf auf, zwischen 1 und 6 Monate nach der Rachenentzündung. Zu den Frühzeichen bei Schulkindern gehören Schwierigkeiten, mit der Hand zu schreiben, Probleme beim Ankleiden und mit der Körperpflege oder sogar beim Gehen oder Füttern aufgrund von zitternden, unwillkürlichen Bewegungen. Die Bewegungen können für kurze Zeit absichtlich unterdrückt werden, im Schlaf verschwinden oder sich bei Stress und Müdigkeit verschlimmern. Bei Schülern können die schulischen Leistungen darunter leiden, da es zu Konzentrationsschwierigkeiten, Angst und Stimmungsschwankungen kommen kann und die Kinder schnell anfangen zu weinen. Bei leichter Ausprägung kann die Erkrankung mit einer Verhaltensauffälligkeit verwechselt werden. Obwohl die Krankheit selbstbegrenzend ist, ist eine unterstützende Therapie und Nachsorge erforderlich.
Hautausschläge
Weniger häufig auftretende Erscheinungen beim rheumatischen Fieber sind Hautausschläge, die wie rote Ringe aussehen und „Erythema marginatum" genannt werden, sowie „subkutane (unter der Haut liegende) Knötchen", bei denen es sich um schmerzlose, verschiebliche, kornartige Knötchen handelt, wobei die darüberliegende Haut eine normale Farbe aufweist. Knötchen dieser Art sind in der Regel über den Gelenken zu finden. Diese Zeichen sind in weniger als 5 % der Fälle vorhanden und können aufgrund ihres unauffälligen und vorübergehenden Erscheinungsbildes übersehen werden. Diese Zeichen treten nicht isoliert auf, sondern in Verbindung mit einer Myokarditis (Entzündung des Herzmuskels). Es gibt weitere Beschwerden, die als erstes von den Eltern bemerkt werden. Diese umfassen Fieber, Müdigkeit, Appetitverlust, Blässe, Bauchschmerzen und Nasenbluten. Sie können bereits in der Frühphase der Erkrankung auftreten.
1.8 Verläuft die Erkrankung bei jedem Kind gleich?
Bei älteren Kindern oder Jugendlichen mit Arthritis und Fieber äußert sich die Erkrankung am häufigsten durch das Auftreten von Herzgeräuschen. Jüngere Patienten weisen eher eine Karditis und weniger schwere Gelenkbeschwerden auf.
Eine Chorea kann die einzige Erscheinungsform sein oder sie kann in Kombination mit einer Karditis auftreten. In jedem Fall wird jedoch eine engmaschige Verlaufsbeobachtung und Untersuchung durch einen Herzspezialisten empfohlen.
1.9 Unterscheidet sich die Erkrankung bei Kindern und Erwachsenen?
Rheumatisches Fieber ist eine Erkrankung, die Schulkinder und junge Menschen bis zum Alter von 25 Jahren bekommen. Selten tritt sie vor dem 4. Lebensjahr auf, und über 80 % der Patienten sind zwischen 5 und 19 Jahren alt. Es kann jedoch auch zu einem späteren Zeitpunkt im Leben zu einem Rückfall kommen, wenn sich der Patient nicht an die dauerhaft einzunehmende, vorbeugende Antibiotika-Therapie hält.
2.1 Wie wird die Erkrankung diagnostiziert?
Die körperlichen Zeichen und Untersuchungen sind besonders wichtig, da es weder einen speziellen Test noch ein spezifisches Anzeichen gibt, das zur Diagnose führt. Gestützt wird die Diagnosestellung durch die körperlichen Symptome von Arthritis, Karditis, Chorea, Hautveränderungen, Fieber, auffällige Laboruntersuchungen, die auf eine Streptokokkeninfektion hinweisen, sowie Veränderungen der Überleitung der elektrischen Erregung vom Vorhof auf die Kammer (zu sehen auf einem Elektrokardiogramm). Damit die Diagnose gestellt werden kann, muss grundsätzlich der Nachweis einer vorangegangenen Streptokokkeninfektion vorliegen.
2.2 Welche Krankheiten ähneln dem rheumatischen Fieber?
Es gibt eine Erkrankung namens „Poststreptokokken-reaktive Arthritis", die ebenfalls nach einer Streptokokken-Pharyngitis auftritt, bei der die Arthritis jedoch länger andauert und bei der ein geringeres Risiko für eine Karditis besteht. Die vorbeugende Gabe von Antibiotika kann angezeigt sein. Auch die juvenile idiopathische Arthritis ist eine Krankheit, die Ähnlichkeiten mit dem rheumatischen Fieber aufweist. Hier hält die Arthritis jedoch länger als 6 Wochen an. Eine Arthritis kann auch in Verbindung mit
Lyme-Borreliose, Leukämie sowie mit einer durch andere Bakterien verursachten reaktiven Arthritis auftreten. Harmlose Herzgeräusche (gängige Herzgeräusche ohne zugrundliegende Herzerkrankung) und angeborene oder erworbene Herzerkrankungen können fälschlicherweise als rheumatisches Fieber diagnostiziert werden.
2.3 Welche Bedeutung haben Laboruntersuchungen/-tests?
Einige Untersuchungen sind für die Diagnose und Verlaufskontrolle besonders wichtig. Wenn es zu einem Schub kommt, sind Blutuntersuchungen hilfreich zur Bestätigung der Diagnose.
Wie bei vielen anderen rheumatischen Erkrankungen sind bei fast allen Patienten Zeichen einer systemischen Entzündung (mehrere betroffene Körperteile) zu erkennen. Eine Ausnahme bilden Chorea-Patienten. Bei den meisten Patienten liegen zum Zeitpunkt des Krankheitsausbruchs keine Zeichen einer Rachenentzündung vor; die Streptokokken im Rachen sind bereits vom Immunsystem beseitigt worden. Es gibt Blutuntersuchungen zum Nachweis von Streptokokken-Antikörpern, die auch dann Aufschluss geben, wenn sich die Eltern bzw. der Patient nicht an die Symptome der Rachenentzündung erinnern können. Erhöhte Konzentrationen (Spiegel) dieser Antikörper, Antistreptolysin O (ASO) oder DNAse B, lassen sich mithilfe von Blutuntersuchungen, die im Abstand von 2 - 4 Wochen durchgeführt werden, nachweisen. Hohe Konzentrationen deuten auf eine kürzlich überstandene Infektion hin. Es besteht jedoch kein bewiesener Zusammenhang mit der Schwere der Krankheit. Bei Patienten, die als einziges unter Chorea leiden, erbringen diese Untersuchungen jedoch normale Ergebnisse, weshalb diese Diagnose trügerisch sein kann.
Auffällige ASO- oder DNAse B-Testergebnisse weisen auf eine zurückliegende Infektion mit den Bakterien hin, die das Immunsystem angeregt haben, Antikörper zu produzieren. Ihr Nachweis alleine kann bei Patienten ohne Beschwerden jedoch nicht zu einer Diagnose von rheumatischem Fieber führen. Daher ist nicht grundsätzlich eine Antibiotikabehandlung notwendig.
2.4 Wie lässt sich eine Karditis nachweisen?
Ein neues Herzgeräusch, das durch eine Herzklappenentzündung hervorgerufen wird, ist das häufigste Merkmal der Karditis und wird in der Regel beim Abhören des Herzens durch den Arzt erkannt. Ein Elektrokardiogramm (eine Aufzeichnung der elektrischen Aktivität des Herzens auf Papier) ist hilfreich, um eine mögliche Herzbeteiligung festzustellen. Auch Röntgenaufnahmen des Brustkorbs sind wichtig, um eine Vergrößerung des Herzens nachzuweisen.
Eine Dopplerechokardiographie oder ein Herzultraschall sind sehr empfindliche Tests zum Nachweis einer Karditis. Wenn keine körperlichen Symptome vorliegen, dürfen sie jedoch nicht als Grundlage für die Diagnosestellung herangezogen werden. Alle diese Verfahren sind absolut schmerzfrei und die einzige Unannehmlichkeit besteht darin, dass das Kind während der Untersuchung stillhalten muss.
2.5 Kann die Erkrankung behandelt/geheilt werden?
In einigen Teilen der Welt stellt das rheumatische Fieber ein schwerwiegendes Gesundheitsproblem dar, das sich jedoch verhindern lässt, indem die Streptokokken-Pharyngitis so schnell wie möglich nach ihrer Erkennung behandelt wird (d. h. Primärprävention). Eine innerhalb von 9 Tagen nach Ausbruch der Rachenentzündung eingeleitete Antibiotikatherapie kann das akute rheumatische Fieber wirksam verhindern. Die Symptome des rheumatischen Fiebers werden mit nichtsteroidalen Antirheumatika behandelt.
Derzeit werden Studien mit dem Ziel durchgeführt, einen Impfstoff gegen Streptokokken zu entwickeln. Denn wenn die Anfangsinfektion verhindert werden kann, wäre auch ein Schutz gegen die fehlgeleitete Immunantwort gegeben. Dieser Ansatz kann zukünftig dazu führen, dass rheumatisches Fieber verhindert werden kann.
2.6 Welche Behandlungen stehen zur Verfügung?
In den letzten Jahren wurden keine neuen Behandlungsempfehlungen herausgegeben. Aspirin ist zwar nach wie vor das Mittel der Wahl, doch der genaue Wirkmechanismus ist unbekannt, scheint jedoch mit den entzündungshemmenden Eigenschaften des Medikaments zusammenzuhängen. Andere nichtsteroidale Antirheumatika (
NSAR) werden zur Behandlung der Arthritis über einen Zeitraum von 6 - 8 Wochen oder bis zu deren Abklingen empfohlen.
Bei schwerer Karditis wird Bettruhe und in manchen Fällen die zwei- bis dreiwöchige Gabe von oralen
Kortikosteroiden (Prednison) empfohlen. Wenn die Entzündung unter Kontrolle gebracht wurde (was durch Beobachtung der Beschwerden und Blutuntersuchungen festgestellt wird), sollte das Medikament allmählich ausgeschlichen (reduziert) werden.
Bei Chorea kann die Unterstützung der Eltern bei der Körperpflege und schulbezogenen Aufgaben erforderlich sein. Zur Behandlung der unwillkürlichen Bewegungen bei Chorea können Steroide, Haloperidol oder Valproinsäure verschrieben werden, wobei die Nebenwirkungen engmaschig untersucht werden müssen. Zu den häufigen Nebenwirkungen zählen Schläfrigkeit und Zittern. Diese lassen sich durch eine Dosisanpassung leicht in den Griff bekommen. In wenigen Fällen kann die Chorea trotz einer angemessenen Behandlung über mehrere Monate andauern.
Nach Bestätigung der Diagnose wird eine Langzeitbehandlung mit Antibiotika empfohlen, um ein erneutes Auftreten des rheumatischen Fiebers zu verhindern.
2.7 Welche Nebenwirkungen haben medikamentöse Therapien?
Bei kurzer Behandlung der Symptome sind Salicylate und andere NSAR in der Regel gut verträglich. Das Risiko für eine Penicillinallergie ist relativ gering, doch während der ersten Injektionen müssen die Patienten überwacht werden. Wichtige Punkte sind die schmerzhaften Injektionen und die mögliche Verweigerung der Behandlung aus Angst vor Schmerzen. Daher wird empfohlen, die Patienten über die Erkrankung aufzuklären, örtlich wirksame Betäubungsmittel einzusetzen und Entspannungsübungen vor den Injektionen durchzuführen.
2.8 Wie lange sollte die Sekundärprävention dauern?
Das Risiko eines Rückfalls ist in den ersten 3 - 5 Jahren nach Ausbruch der Erkrankung erhöht, und mit jedem neuen Schub erhöht sich das Risiko für eine Karditis. Daher wird allen Patienten, die einmal an rheumatischem Fieber erkrankt waren, empfohlen, über diesen Zeitraum dauerhaft Antibiotika einzunehmen, um neue Streptokokkeninfektionen zu verhindern. Diese Empfehlung gilt unabhängig vom Schweregrad der Erkrankung, da es auch bei milden Verläufen zu Schüben kommen kann.
Die meisten Ärzte sind sich einig, dass eine Antibiotika-Prophylaxe über einen Zeitraum von mindestens 5 Jahren nach dem letzten Schub bzw. bis zum Alter von 21 Jahren verabreicht werden sollte. Bei einer Karditis ohne Schädigung des Herzens wird eine Sekundärprophylaxe über einen Zeitraum von 10 Jahren oder bis zum Alter von 21 Jahren (je nachdem, welcher Zeitraum länger ist) empfohlen. Ist es zu einer Schädigung des Herzens gekommen, wird eine 10-jährige Prophylaxe empfohlen, bzw. wenn es zu Komplikationen durch einen Klappenersatz gekommen ist, sollte die vorbeugende Antibiotika-Therapie bis zum Alter von ≥ 40 Jahren verabreicht werden.
Allen Patienten mit einer Schädigung der Herzklappe, die sich einer Zahnbehandlung oder einer Operation unterziehen müssen, wird empfohlen, zur Vermeidung einer bakteriellen Endokarditis vorbeugend Antibiotika einzunehmen. Diese Maßnahme ist notwendig, da die Bakterien von anderen Körperstellen, insbesondere aus dem Mund, zum Herzen wandern und dort eine Herzklappenentzündung hervorrufen können.
2.9 Gibt es alternative/ergänzende Therapien?
Es gibt zahlreiche ergänzende und alternative Therapien, so dass dies ein verwirrendes Thema für Patienten und ihre Angehörigen sein kann. Sie sollten sorgfältig über die Risiken und Nutzen solcher Therapien nachdenken, da deren Nutzen nur unzureichend nachgewiesen wurde und sie sowohl in Bezug auf den zeitlichen Aufwand, die Belastung für das Kind und auch die Kosten unverhältnismäßig sein können. Wenn Sie ergänzende und alternative Therapien ausprobieren möchten, ist es sinnvoll, diese Möglichkeiten mit Ihrem Kinderrheumatologen zu besprechen. Bei einigen dieser Therapien können Wechselwirkungen mit den konventionellen Medikamenten auftreten. Die meisten Ärzte stehen ergänzenden Therapien nicht ablehnend gegenüber, sofern Sie sich an die ärztlichen Anweisungen halten. Es ist sehr wichtig, dass Ihr Kind die verschriebenen Medikamente nicht absetzt. Wenn Medikamente, wie z. B. Kortikosteroide, notwendig sind, um die Erkrankung zu kontrollieren, kann es sehr gefährlich sein, diese abzusetzen, während die Krankheit noch aktiv ist. Bitte besprechen Sie alle Fragen zu Medikamenten mit dem behandelnden Arzt Ihres Kindes.
2.10 Welche regelmäßigen Kontrollen sind notwendig?
Bei einem langen Krankheitsverlauf können regelmäßige Kontrolluntersuchungen und Tests notwendig sein. Wenn die Patienten an Karditis und Chorea erkranken, ist eine engmaschigere Nachbeobachtung angezeigt. Es wird empfohlen, nach Rückgang der Symptome einen kontrollierten Plan zur vorbeugenden Behandlung und langfristigen Nachbeobachtung zu erstellen, der auch eine Untersuchung des Herzens auf Spätfolgen durch einen Herzspezialisten umfasst.
2.11 Wie lange dauert die Erkrankung?
Die akuten Beschwerden der Erkrankung klingen im Laufe von wenigen Tagen bis Wochen ab. Doch das Risiko für wiederkehrende rheumatische Fieberschübe bleibt bestehen und eine Beteiligung des Herzens kann lebenslange Beschwerden verursachen. Zur Vorbeugung einer erneuten Streptokokken-Pharyngitis ist es notwendig, über viele Jahre Antibiotika einzunehmen.
2.12 Wie sieht die Langzeitentwicklung (Prognose) der Erkrankung aus?
Es lassen sich keine Vorhersagen zu Rückfällen und Beschwerden in Bezug auf Zeitpunkt und Schweregrad treffen. Wenn eine Karditis bereits beim ersten Krankheitsanfall auftritt, ist das Risiko einer Herzschädigung erhöht, obwohl die Karditis in einigen Fällen auch vollständig ausheilen kann. Bei den meisten schweren Herzschäden ist eine Herzoperation mit Klappenersatz unumgänglich.
2.13 Kann der Patient wieder vollständig gesund werden?
Eine vollständige Erholung ist dann möglich, wenn die Karditis keine schwere Schädigung der Herzklappe hervorgerufen hat.
3.1 Wie wirkt sich die Erkrankung auf das Alltagsleben des Kindes und seiner Angehörigen aus?
Mit der richtigen Behandlung und regelmäßigen Kontrolluntersuchungen können die meisten Kinder mit rheumatischem Fieber ein normales Leben führen. Doch während der Schübe benötigen Patienten mit Karditis und Chorea viel Unterstützung durch ihre Angehörigen.
Das Hauptproblem ist die langfristige Einhaltung der Antibiotika-Prophylaxe. Primärversorgungseinrichtungen müssen einbezogen und die Patienten aufgeklärt werden, um die Therapietreue, insbesondere bei Jugendlichen, zu verbessern.
3.2 Was ist mit der Schule?
Wenn bei den regelmäßigen Kontrolluntersuchungen festgestellt wird, dass keine Herzschäden zurückgeblieben sind, gibt es keine speziellen Empfehlungen in Bezug auf Alltagsaktivitäten und das normale Schulleben. Das Kind darf an allen Aktivitäten teilnehmen. Eltern und Lehrer müssen alles in ihrer Macht Stehende tun, um es dem betroffenen Kind zu ermöglichen, normal an den schulischen Aktivitäten teilzunehmen, damit das Kind nicht nur schulische Erfolge erzielen kann, sondern es auch die Möglichkeit erhält, von seinen Altersgenossen und den Erwachsenen anerkannt und geschätzt zu werden. Bei Vorliegen von Chorea sind während der akuten Krankheitsphasen einige Einschränkungen bei schulbezogenen Aufgaben zu erwarten, und die Angehörigen und Lehrer müssen 1 bis 6 Monate mit diesen Problemen umgehen.
3.3 Was ist mit Sport?
Sportliche Aktivitäten gehören zu den elementaren Dingen im Alltag jedes Kindes. Ein Ziel der Therapie besteht darin, dem Kind ein weitestgehend normales Leben zu ermöglichen, damit es sich nicht als Außenseiter fühlen muss. Daher können alle Aktivitäten soweit ausgeübt werden, wie sie dem Kind gut tun. Dennoch ist zu beachten, dass die körperlichen Aktivitäten während der akuten Phasen eingeschränkt werden müssen und das Kind möglicherweise Bettruhe einhalten muss.
3.4 Was ist mit der Ernährung?
Es liegen keine Hinweise vor, dass die Ernährung einen Einfluss auf den Verlauf der Erkrankung hat. Im Allgemeinen sollte sich das Kind ausgewogen, normal und altersentsprechend ernähren. Der Ernährungsplan eines heranwachsenden Kindes sollte gesund und ausgewogen sein und eine ausreichende Zufuhr an Proteinen, Calcium und Vitaminen gewährleisten. Patienten, die mit Kortikosteroiden behandelt werden, sollten darauf achten, nicht zu viel zu essen, da diese Medikamente appetitanregend sind.
3.5 Kann das Klima den Verlauf der Erkrankung beeinflussen?
Es liegen keine Hinweise vor, dass das Wetter einen Einfluss auf den Verlauf der Erkrankung hat.
3.6 Darf das Kind geimpft werden?
Der Arzt entscheidet im Einzelfall darüber, welche Impfungen das betroffene Kind erhalten darf. Insgesamt scheinen Impfungen die Krankheitsaktivität nicht zu verstärken und keine schweren Nebenwirkungen bei den Patienten hervorzurufen. Auf Impfungen mit Lebendimpfstoffen sollte jedoch generell verzichtet werden, da das theoretische Risiko besteht, dass sie bei Patienten, die mit hochdosierten Immunsuppressiva oder Biologika behandelt werden, Infektionen auslösen. Totimpfstoffe scheinen selbst bei Patienten, die Immunsuppressiva erhalten, sicher zu sein, auch wenn die meisten Studien seltene Impfschäden nicht umfassend beurteilen können.
Bei Patienten, die hochdosierte Immunsuppressiva einnehmen, sollte der Arzt nach der Impfung die pathogenspezifischen Antikörperkonzentrationen bestimmen.
3.7 Was ist hinsichtlich Sexualleben, Schwangerschaft und Empfängnisverhütung zu beachten?
Die Erkrankung bringt keine Einschränkungen in Bezug auf das Sexualleben oder Schwangerschaften mit sich. Dennoch sollten alle Patientinnen, die Medikamente einnehmen, sehr vorsichtig wegen der möglichen Wirkungen der Arzneimittel auf das Ungeborene sein. Die Patienten sollten den Rat ihres Arztes bei Fragen zu Verhütungsmethoden und Schwangerschaft einholen.
4.1 Was ist das?
Sowohl bei Kindern als auch bei jungen Erwachsenen sind Fälle von streptokokkenassoziierter Arthritis berichtet worden. Diese wird in der Regel als „reaktive Arthritis" oder „Poststreptokokken-reaktive Arthritis" (PSRA) bezeichnet.
PSRA tritt häufig bei Kindern im Alter zwischen 8 und 14 Jahren und bei jungen Erwachsenen zwischen 21 und 27 Jahren auf. Sie bricht in der Regel innerhalb von 10 Tagen nach einer Rachenentzündung aus. Sie unterscheidet sich von der Arthritis beim akuten rheumatischen Fieber (ARF), die hauptsächlich die großen Gelenke betrifft. Bei der PSRA sind die großen und kleinen Gelenke und das Axialskelett betroffen. Die Krankheit dauert in der Regel länger als das ARF — ungefähr 2 Monate, manchmal länger.
Es kann zu leichtem Fieber kommen und die Ergebnisse von Laboruntersuchungen können auf eine Entzündung hinweisen (C-reaktives Protein und/oder Blutsenkungsgeschwindigkeit). Die Werte der Entzündungsmarker sind niedriger als bei ARF. Die Diagnose PSRA wird anhand des Vorliegens von Arthritis mit Nachweis einer kürzlich überstandenen Streptokokkeninfektion, auffälligem Test auf Streptokokken-Antikörper (ASO, DNAse B) und dem Nichtvorliegen von Zeichen und Symptomen gemäß den zur ARF-Diagnose führenden „Jones-Kriterien" gestellt.
Die PSRA ist eine andere Krankheit als das ARF. PSRA-Patienten erkranken mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht an einer Karditis. Die amerikanische Herzgesellschaft hat vor Kurzem eine Empfehlung herausgegeben, nach der Antibiotika über einen Zeitraum von einem Jahr nach Auftreten der Symptome prophylaktisch (vorbeugend) verabreicht werden sollen. Außerdem sollten diese Patienten sorgfältig nach klinischen und echokardiografischen Hinweisen auf eine Karditis überwacht werden. Kommt es zu einer Herzerkrankung sollte der betroffene Patient dieselbe Behandlung wie im Falle von ARF erhalten. Ansonsten kann die Prophylaxe abgesetzt werden. Die Nachbeobachtung des Patienten durch einen Herzspezialisten wird empfohlen.